FREIFRAU x MAX FREUND

Einmal mehr wurde aus unserem Modell Amelie ein Kunstobjekt. Der Wiener Künstler Max Freund über seine Art zu Wohnen und den Prozess, seine Kunst auf ein Sitzmöbel zu übertragen.

INTERVIEW

Max Freund lebt und arbeitet als Künstler in Wien. Von 2011 bis 2017 studierte er bei Judith Eisler an der Wiener Universität für angewandte Kunst. Er selbst beschreibt seine Kunst als eine Rotation zwischen Zeichnung, Malerei und Interesse an druckgrafischen Techniken. Sein Lieblingsmalgrund: Textilien – in all ihren Facetten. Die Kooperation zwischen dem Künstler und der Manufaktur Freifrau ist eine sich wunderbar ergänzende Zusammenkunft, die das Modell Amelie einmal mehr in ein Kunstobjekt verwandelt, ohne dass seine Funktion verloren geht. Wir sprachen mit dem Künstler über den Prozess, seine Kunst auf Stühle zu übertragen, und über sein ganz eigenes Gefühl von Zuhausesein.

 

Freifrau: Lieber Max, wir haben deine Kunst bei Katharina Herold von Heroldian Art Concepts als sehr großformatige, textile Werke kennengelernt. Für unsere Kooperation hattest du aber keine große Canvas-Fläche vor dir, sondern drei unserer Amelie-Stühle, die dir als Leinwand dienten. Wie war das für dich?


Max Freund: Ich hatte wahnsinnig viel Lust auf das Projekt. Was ja die Leser nicht wissen, ist, dass wir das Projekt wegen Corona einmal verschieben mussten. Das heißt, ich musste mich für die finale Umsetzung gedulden, obwohl die Vorbereitungen schon lange abgeschlossen waren. Was für mich aber auch interessant war. Prinzipiell versuche ich Projekte in einem Zug abzuschließen, damit es sich von der ursprünglichen Idee nicht zu weit entfernt. Als ich jetzt – ein Jahr später – starten konnte, wollte ich jedoch nichts an dem Konzept ändern. Das hat mich positiv überrascht.

Klingt, als hättest du von Anfang an eine gute Idee von deiner Kunst auf einem Objekt – unserem Modell Amelie – gehabt. Aber bevor wir direkt durchstarten und zu deinen wunderschönen Werken kommen, haben wir ein paar Fragen zu dir und deinem Werdegang. Wie bist du zur Kunst gekommen?
Da gab es keinen speziellen Punkt, an dem ich wusste: Ich will Künstler werden. Es war  vielmehr so, dass es mir immer schon Freude gemacht hat, zu zeichnen, zu malen und mit allen möglichen Dingen zu experimentieren.


Und dann hast du Kunst studiert?
Ich habe erst kurz vor dem Abitur erkannt, dass ich mein Interesse wirklich vertiefen will, und habe mich für ein Studium der Malerei entschieden. Es gab dann auch keinen Plan B.

 

Inwiefern hat sich deine Kunst dadurch weiterentwickelt?
Ich glaube, sie ist diverser und konkreter geworden.


Deine große Liebe war immer das Zeichnen?
Ja! Die Zeichnung ist vorher sehr wichtig gewesen und ist es auch nach wie vor.
Man sieht das in meinen Arbeiten – ich mag es, wenn man die Zeichnung, die Linien oder  grafische Elemente in die Malerei übersetzt.


Du arbeitest viel auf frei hängendem Leinen, das nicht auf einen Rahmen gezogen ist. Was hat es damit auf sich?
Mir gefällt, dass der Stoff eine ganz andere, manchmal nicht vorhandene Spannung  hat. Wir nehmen dadurch den Stoff und die Begebenheit anders wahr. Falten, Licht und Schatten werden zu einem aktiven Element. Die Malerei verbindet sich organisch mit dem Material und versucht nicht wie bei einer aufgespannten Leinwand, es zu dominieren.

Wie war der Prozess für dich, deine Kunst auf unsere Möbel zu transportieren? Du hast dich ja für unser Modell Amelie entschieden, das sehr fest gepolstert ist.
Meine Ideen und Zeichnungen auf eure Möbel zu transportieren fand ich superinteressant. Vor allem, weil ich in der Vorbereitungsphase mit euren Stoffen experimentieren konnte. Dass der Stoff fest auf die Stühle gespannt ist, hat für mich eigentlich keinen Unterschied gemacht.


Zu Beginn sagtest du, dein Konzept stand bereits ein Jahr fest, bevor die Stühle bei dir ankamen. Wie hast du dich damals vorbereitet und wie bist du letztlich vorgegangen?
Ich bin wie oft in meinem Arbeitsprozess von der Zeichnung ausgegangen. Da schaue ich meine Sammlungen alter Skizzen durch und ergänze sie oder füge etwas ganz Neues hinzu. Mir war relativ schnell klar, wie die Stühle aussehen würden. In dem ganzen Prozess habe ich immer daran gedacht, dem Objekt seine Funktion nicht zu entziehen,  damit man es weiterhin benutzen kann. Trotzdem wollte ich – wahrscheinlich eher ungewöhnlich für einen Stoffbezug – mit Ölfarben anstatt Acryl- oder Textilfarben arbeiten. Die Leuchtkraft und der Farbauftrag sind wunderbar mit Öl. Da es auch von eurer Seite keine Einschränkungen, sondern freie Hand gab, bin ich dabei geblieben. Wenn man jetzt die fertigen Stühle vor sich sieht und sie berührt, dann merkt man den Unterschied.


Man kann sich also sogar auf die Ölfarbe setzen, ohne dass sie abfärbt?
Tatsächlich! Ich habe die Farbe sehr flach auf den Stuhl aufgetragen. Obwohl sie komplett in die Fasern eingezogen ist, kann man die Farbe noch erfühlen. Auf den ersten Blick wirkt der Stoff wie bedruckt, was eine ganz interessante Täuschung ist, da es direkte Malerei ist und jeder Stuhl ein Einzelstück.


Hast du dir in dem Prozess auch überlegt, in welchem wohnlichen Kontext du die Stühle gerne sehen würdest?
Nicht wirklich, aber ich sehe immer Ähnlichkeiten in der Realität einer Leinwand und zum Beispiel einem Tisch: Sobald man mit ihnen wohnt, werden sie zu Freunden. Sie begleiten uns im täglichen Leben, in diesem Fall zuhause. Ich habe eine große Liebe für Stühle und Hocker und habe mittlerweile schon so viele in meiner Sammlung, dass ich sie kaum unterbringen oder gar verwenden kann. Trotzdem bekomme ich nicht genug von ihnen. Sie gehen von meinem Wohnraum auch in den Ausstellungsraum über und werden zum Teil in meinen
Installationen verwendet. Es ist ein spannendes Objekt. Das Hinsetzen oder auch nur der Gedanke an einen Stuhl erinnert uns an Entspannung, Nachdenken, Arbeiten und Essen.

Wie können wir uns deinen Einrichtungsstil vorstellen?
Ich wohne mit meiner Freundin auf 60 m² und wir lieben es, dauernd Kleinigkeiten
zu verändern. Wir haben viele Lampen und Möbel – teilweise aus den 60er Jahren – mit gedeckten Farben. Dazu viele Arbeiten von Freunden und viele Pflflanzen. Ich sammle (leider) auch wahnsinnig gerne Dinge, von Büchern über Objekte bis eben hin zu Stühlen. Alles wird zu kleinen Altären in unserer Wohnung, sogar die Obstschale. Irgendwie schaffen wir es aber trotzdem, minimalistisch zu leben oder alle paar Monate etwas um- oder auszusortieren.


Was bedeutet es für dich, zuhause zu sein?
Ich habe eine wirklich ausgeprägte Sammelleidenschaft. Manchmal überfordert es mich, obwohl ich es genieße und (zum Glück) über die Jahre gelernt habe, selektiver zu sein. All diese Dinge sind Basis für meine Arbeit, aber auch Wegbegleiter im Alltag. Das ist ein teils eigenartiges, aber schönes Changieren zwischen Leben und Arbeit. Zum Beispiel Bücher, Stoffe oder Gläser. Ich finde jedoch, vor allem bei Bildern und Möbelstücken spürt man besonders stark, ob man sich zuhause fühlt oder nicht.


Gibt es dabei für dich auch ein besonderes Buch, das du anderen vorziehst? Und wenn ja, wieso?
Das ist gar nicht einfach zu beantworten. Es ist meistens das Buch, das ich gerade lese oder anschaue. Derzeit würde ich sagen, ist es ein altes Kunst-Lehrbuch aus den 80ern mit vielen Aquarellen und Kinderzeichnungen. Die Texte sind eher uninteressant, aber die Masse an abgedruckten Bildern, die Farben und der direkte Zugang zur Kunst faszinieren mich.


Was bedeutet Kunst für dich in deinem Alltag?
Das ist ein dauerhaftes Gefühl, das mich beim Aufstehen, beim Arbeiten oder beim Abendessen begleitet. Es sind die Dinge um uns herum und die Gedanken in uns.


Du hast dir für deine Reihe Amelie ausgesucht – mit hoher, niedriger und ganz ohne  Armlehne. Fast scheint die Reihe wie ein Triptychon.
Auf jeden Fall. Bereits beim Zeichnen habe ich gemerkt, dass es toll wäre, eine  zusammenhängende Serie zu schaffen. Dass es drei verschiedene Varianten von Amelie gibt, war ein glücklicher Zufall für mich. Die Stühle haben verschiedene Anmutungen: Der orangene ist ganz warm, der grüne eher kühl. In meiner Vorstellung waren das  Lichtsituationen. Die drei Stühle sind sozusagen eine saisonale Abfolge zwischen Frühling und Herbst.

 

Lieber Max, es ist uns eine große Ehre, mit dir zusammenarbeiten zu dürfen!
Vielen Dank dafür und für dieses Interview!