Freifrau zu Besuch bei Katharina Herold

Die Hamburger Galeristin ist mit Kunst aufgewachsen. Ihre wichtigste Message: Lebt mit Kunst! Wir besuchten Katharina Herold in ihrer Wohnung im Stadtteil Rotherbaum um mit ihr über ihr Leben mit der Kunst zu sprechen.   

INTERVIEW

Es war nicht der Zufall der Katharina Herold zur Kunst brachte. Vielmehr hat ihr Vater, ein Hamburger Galerist, sie mit Kunst aufgezogen. Kein Kunstwerk in ihrem Elternhaus, so sagt Herold, blieb unentdeckt oder unbesprochen. Der Kunst mit einer fast kindlichen Herangehensweise zu begegnen, hat sie sich bewahrt und möchte sie auch in ihren Kunden wecken. Heute ist Katharina Herold nicht nur Galeristin, sondern auch Unternehmerin und Verlegerin ihres eigenen Magazins "The Heroldian Journal". Und in allem schwingt ihre wichtigste Message: lebt mit Kunst & seid neugierig!

Katharina, zum Einstieg eine einfache, aber vielleicht auch die schwierigste Frage: Was bedeutet für dich Kunst?

Es klingt vielleicht ein bisschen übertrieben: aber eigentlich alles! Jeder Tag in meinem Leben ist ausgerichtet auf Kunst. Ob ich morgens aufwache oder Reisen plane, es steht immer die Kunst im Vordergrund. Womit möchte ich mich heute beschäftigen? Welche Künstler an meinem Reiseziel interessieren mich? Was möchte ich mir dort anschauen? 

Das klingt sehr frei. Wie kann man sich einen Tag in deinem Leben vorstellen? Hast du Routinen?

Ne – nicht so richtig. Es kommt natürlich darauf an, ob ich einen Termin habe, generell brauche ich aber morgens ziemlich lange. Egal wann ich aufstehe. Als Routine kann man wohl nur den ersten Kaffee und Bewegung bezeichnen. Wenn ich auf Sylt bin, gehe ich morgens als Erstes ins Meer, egal welches Wetter. Das macht total süchtig!

Auf Sylt hast du lange eine Galerie geführt. Die Zweigstelle der Galerie, die ihr in Hamburg als Familie führt. Durch deinen Vater wurdest du in die Kunstwelt hineingeboren und hast dich früh mit Kunst beschäftigt. Was denkst du, inwiefern dich das in deinem Verständnis für Kunst beeinflusst hat?

Ich glaube, ich lebe eine fast kindliche Herangehensweise, wenn es um Kunst geht. Mein schottischer Großvater hat immer gesagt: „Always stay curious.“ Den Satz habe ich in mich aufgesogen und daher finde ich es natürlich auch besonders schade, wenn uns Menschen in der Galerie besuchen und neuen Künstlern gegenüber verschlossen sind, weil sie sie nicht kennen. Wir kennen alle vieles nicht und deshalb mag und fördere ich es, wenn man sich Kunst öffnet und Fragen stellt. 

Wie war deine Kindheit mit Kunst?

Daran erinnere ich mich ganz gut. Mein Vater sammelt Hocker, also kleine Schemel, Melkschemel und solche Dinge. Es stand also immer irgendwo ein Hocker, den ich mir genommen habe, um die Tür seines Sammlerschranks zu öffnen und mir dann verschiedene Objekte herauszunehmen. Ich musste alles wissen: Was ist das? Aus welcher Epoche kommt das? Aus welchem Land kommt es? Viele Stücke waren aus der Antike, Glasstücke aus Ausgrabungen zum Beispiel, aber es gab bei uns zuhause auch viele Kunstwerke aus der Moderne oder von jungen Künstlern. 

Wenn man deine Wohnung sieht, erkennt man, dass du einen ähnlichen Hang zu Dingen hast. Du mischst Stile und Epochen mit modernen Dingen und integrierst alles in dein Leben, deinen Alltag. 

Das stimmt. Ich habe auf jeden Fall keine Angst vor Kunst, fasse Kunstwerke nicht mit Samthandschuhen an. Metaphorisch gesprochen. Wenn mein Vater Neuerwerbungen mit nach Hause gebracht hat, haben wir immer über diese gesprochen, wie andere sich eben auch über ihre Arbeit unterhalten. Dass ich zur Kunst gekommen bin, hat übrigens nichts damit zu tun, dass mir jemand gesagt hätte, ich müsse mich mit Kunst beschäftigen oder mich dafür interessieren. Bevor ich Kunst studiert habe, habe ich am Theater gearbeitet und mein Bruder war in der Werbung. Dass wir uns nun alle auch beruflich mit Kunst beschäftigen, hat sich irgendwann gefügt. 

Man ist ja nie zu alt, um sich mit Kunst zu beschäftigen – vielleicht aber etwas gehemmt?

Ich glaube, man muss der Kunst gegenüber offen sein. Ich finde es auch schön, wenn sich die Kunstwelt Leuten erst später öffnet. Oft bekomme ich mit, dass Menschen ab einem gewissen Alter die Muße haben, sich da noch einmal total reinzufuchsen. Das ist toll! Mir ist es wichtig, dass niemand denkt, man müsste irgendetwas wissen, diesen oder jenen Künstler kennen. 

In deiner Küche haben wir eine antike Schale im Spülbecken stehen sehen. Hast du keine Angst, die Stücke so in deinen Alltag zu integrieren und sie vielleicht dabei zu zerbrechen? 

Die Schale, die ihr gesehen habt, war zum Beispiel eine Fayence-Schale aus dem 18. Jahrhundert. Die ist nicht dafür gefertigt worden, in der Vitrine zu stehen. Natürlich passe ich auf die Dinge auf, aber es ist doch auch schön, etwas wieder zum Leben zu erwecken. Sie nur in die Vitrine zu stellen, finde ich schade. Auch wenn ich so die Möglichkeit ausschließen würde, dass sie jemals zerbricht.

Suchst du diese Art Kunst für dich ganz persönlich auch danach aus, sie weiterhin benutzen zu können?

Vielleicht … aber primär wohl nach ästhetischen Gründen. Ich habe auch Sachen, die sind beispielsweise zu filigran, um sie weiter zu benutzen. Einen Stuhl aus Frankreich aus dem 17. Jahrhundert mit Geflecht. Den würde ich eher als Objekt nutzen oder maximal ein paar Bücher darauflegen. Viele Leute, die in die Galerie kamen, sagten, sie wüssten nicht, was sie mit den Fayencen in der Vitrine machen sollen. Denen sage ich, sie sollen sie einfach benutzen, und das haben auch einige gemacht. 

Du hast vor einiger Zeit deine eigene Firma gegründet: Heroldian Art Concepts. Was ist dein Konzept? 

Ich habe gemerkt, dass ich mich in der Beratung sehr gut auf Leute einlassen kann. Ich finde das sehr wichtig, denn Kunst ist etwas äußerst Persönliches. Mein Ziel ist erreicht, wenn ich Leuten die Welt der Kunst eröffnenkann und wir gemeinsam Werke gefunden haben, die für sie ganz persönlich passend sind und mit denen sie sich zuhause wohlfühlen und die sie inspirieren. Gleichermaßen freue ich mich natürlich, wenn ich dadurch junge, lokale Künstler unterstützen kann.

Wie fängst du deine Arbeit bei deinen Klienten an?

Erstmal muss ich die Leute kennenlernen und ganz viel über den Menschen erfahren. Ich frage, was ihnen gefällt, finde es aber noch wichtiger, zu wissen, was ihnen nicht gefällt. Ich schaue mir die Räume an, um die es geht, und lasse auch mit einfließen, in welcher Stadt und in welchem Land wir uns befinden. Gerade wenn man kommerzielle Räume mit Kunst bestücken möchte, finde ich es toll, auch zeitgenössische, lebende Künstler aus der jeweiligen Stadt mit einzubeziehen. Aber auch so finde ich den Bezug zu Herkunft und Tradition spannend. 

Parallel zu deinem Unternehmen hast du ein Magazin herausgebracht, in dem es ebenfalls viel um das Thema „Leben mit Kunst“ geht. Wieso ist das so eine wichtige Message für dich?

Einer der Gründe ist, dass es mich immer ein bisschen traurig macht, wenn Leuten Angst vor Kunst eingebläut wird. Es gibt nämlich auch andere Kunst als solche, von der man einen Meter Abstand halten muss und neben der Museumswächter stehen. Außerdem möchte ich die Geschichten erzählen, die hinter einem Künstler/einer Künstlerin und hinter Kunstwerken stecken. Ich möchte einen Einblick geben in den Beruf eines Kunsthändlers und die Berufe, die damit in Verbindung stehen, wie zum Beispiel die eines Restaurators oder eines Rahmenhändlers.

Was denkst du, wie man diese sichtbaren und unsichtbaren Barrieren überwinden kann?

Das ist eine Frage, die sich nicht so schnell beantworten lässt. Das hat viel mit großen Institutionen zu tun – sowohl staatlichen als auch kommerziellen. Ich denke, allgemein sollte Kunst wieder mehr erreichbar sein, ich finde, es ist in Deutschland oftmals zu teuer für die meisten, ins Museum zu gehen. In Großbritannien sind die Museen umsonst, und es geht ihnen finanziell trotzdem besser als hierzulande. Das ist ein längeres Thema. Ich kann nur jedem empfehlen, Galerien zu besuchen, Schwellenangst zu überwinden und Ausstellungen anzuschauen.  

Sich die Kunst so auszusuchen, wie sie einem ganz subjektiv gefällt, könnte aber auch bedeuten, dass man – wirtschaftlich gesehen – die falschen Entscheidungen trifft. 

Ich finde es schwierig, zu behaupten, „ich weiß, dass dieses Gemälde zukünftig viel mehr wert sein wird“. Natürlich gibt es Tendenzen und man kann den Markt ansatzweise lesen. Es ist aber auch eine Masche, Kunst mehr und mehr als Investition zu vermarkten. In den Medien wird immer hauptsächlich von Rekordsummenberichtet. Das ist natürlich auch eine Art Marketing. Und da wären wir auch schon wieder bei dem Thema, das mir eine Herzensangelegenheit ist: Kunst sollte als Kunst wahrgenommen werden und nicht als geparktes Geld in irgendeinem Lager verschwinden. Und wennschon, dann kann man es ja auch als Leihgabe in ein Museum geben, damit sich andere daran erfreuen können. 

Wie ist das bei eurer Klientel? Wonach fragen die?

Das ist verschieden. Ich habe immer noch oft Besucher in der Galerie – ganz viele in meinem Alter –, die zuerst danach fragen, welches die beste Investition ist. 

Was sagst du diesen Leuten dann? 

Dass die beste Kunstinvestition immer die ist, mit der man glücklich ist.  

Also im Prinzip ein bisschen wie ein Möbelstück?

Ja und nein. Man soll natürlich immer nur das kaufen, was einem gefällt und womit man sich umgeben möchte, aber ein Möbel hat ja meist noch den Nutzfaktor. Die Kunst hebt sich da schon ab und kann ja oft auch wunderbare Geschichten, nämlich die des Künstlers, erzählen. 

Wie ein Zeitzeuge.

Ganz genau. Ich erzähle davon auch in meinem Magazin in einer Reihe, die ich „A painting is not just a painting“ genannt habe. Dort suche ich mir ein Gemälde aus und erzähle dessen Geschichte. Es ist teilweise Wahnsinn, was man aus einem einzigen Gemälde herauslesen kann oder wo einen die Recherche hinführt. Das finde ich immer wieder unglaublich spannend und das ist es, was mich antreibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Sehr gerne!