Zu Besuch bei Fritz Kok

INTERVIEW

Die niederländische Hafenstadt IJmuiden liegt nur eine halbe Autostunde von Amsterdam entfernt. Zur Szenerie rund um das alte Postamt, das Fritz Kok vor einigen Jahren zusammen mit seinem Partner zum Studio Samaritain umfunktionierte, gehören die großen Frachter und Kreuzfahrtschiffe ebenso wie die kreisenden Möwen im Himmel. Innendrin überrascht das großzügige, minimalistisch elegante Loft mit zahlreichen persönlichen Einrichtungsgegenständen und maßgefertigten Lösungen. Wir haben mit Fritz Kok über die Entstehungsgeschichte des Studio Samaritain gesprochen, wie ihn das Kino, seine Reisen durch die ganze Welt und ein Pariser Kaufhaus bei der Gestaltung inspirierten und darüber, warum er diesen persönlichen Ort so gerne anderen Menschen zur Verfügung stellt – zum Beispiel Freifrau für das Shooting der Kollektionen Mia und Marie.

Freifrau: Das Studio Samartian ist ein ehemaliges Post Office und heute dein Zuhause. Was kannst du uns über den Weg, die Verwandlung erzählen? Gab es noch Zwischenmieter oder habt ihr tatsächlich noch die alten Paketwagen und Verkaufstheken vorgefunden?

Fritz Kok: Mein Partner und ich lebten zuletzt beide im Zentrum von Amsterdam und wir spielten schon länger mit dem Gedanken, die Stadt hinter uns zu lassen und nach einem besonders großzügig geschnittenen Zuhause zu suchen – vorzugsweise in der Nähe von Amsterdam. Zufällig teilen wir beide eine Liebe für Häfen. Unser erster Ausflug führte uns somit in die Fischer- und Stahlarbeiterstadt IJmuiden, die nur eine halbe Autostunde von Amsterdam entfernt und direkt am Meer liegt. Der örtliche Immobilienmakler erzählte uns, dass er eine "verrückte" Immobilie (sprich: ein ungewöhnliches Haus) in seinem Portfolio hätte, nämlich das ehemalige Hauptpostamt der Stadt. Und obwohl es damals ganz anders aussah als heute, verliebten wir uns beide Hals über Kopf in dieses Haus. Abgesehen von den Säulen, Postschaltern, Telefonzellen und einer Toilette war das Postamt bereits zu einem wohnlicheren Raum umgebaut worden. Es wurde zu dieser Zeit noch von einer Künstlerin bewohnt, die noch gar nicht hundertprozentig sicher war, ob sie wirklich verkaufen will. Die Dame teilte jedoch mit uns die Liebe zu Hunden, und so erwies es sich als zuträglich, dass wir meinen Jack Russle "Piet" zu unserem Besuch in ihrem Haus mit dabeihatten. Am Ende hat er sie wahrscheinlich überzeugt, uns das Haus zu verkaufen.

Das Studio Samartian war dein erstes richtiges Interior-Projekt. Wusstest du von Anfang an, wie es aussehen soll? Hattest du einen Leitgedanken, an dem du dich orientiert hast? Und wie kam der Name Studio Samartian zustande?

Bei unserem ersten Besuch hatte ich einige Fotos vom Loft gemacht, und ich war geübt darin, mit Photoshop zu arbeiten. Ich hatte also das Glück, mit verschiedenen Stilrichtungen am Computer spielen zu können, bevor wir mit den Sanierungs- und Umbauarbeiten begannen. Die Säulen im Haus deuteten schon sehr auf einen klassischen Ansatz hin – der Raum selbst schien jedoch genügend Platz zu bieten, um klassischere Retro-Themen mit einem zeitgenössischen Stil zu mischen.

Nachdem ich den Raum während der Bauarbeiten komplett leer gesehen hatte, ganz unbewohnt, ohne Wände und Farben, erinnerte er mich an ein Kaufhaus nach Ladenschluss. So entstand der Name Samaritain, in Anlehnung an das Pariser Kaufhaus Samaritaine. Der Trend zu verlassenen Gebäuden begann populär zu werden und faszinierte auch mich, so dass wir beschlossen, den Raum – unabhängig von der Stilrichtung, die wir umsetzen würden – möglichst leer und unmöbliert zu lassen, damit er dieses Gefühl der Verlassenheit beibehält. Dieser relativ minimalistische Ansatz machte es leicht, das Loft in ein (kulissenartiges) Studio zu verwandeln.

Weitere Inspirationsquellen für die Interiorplanung waren ein Wochenende auf einem Kreuzfahrtschiff, der "SS Rotterdam" der Holland-America-Line, und ein Besuch in Miami, wo mein Partner und ich in den 1990er-Jahren (unabhängig voneinander) viel Zeit verbracht hatten. Ein konkretes Beispiel: Die Kaffee-Bar in unserem Empfangsbereich ist der Bar in der Lobby des Raleigh Hotel Miami nachempfunden. Das Hauptziel war es jedenfalls, diese verschiedenen Themen in einem offenen Raum miteinander zu kombinieren und spielen zu lassen und gleichzeitig einen zeitgenössischen Loft-Look beizubehalten.

Wie hast du deine Entscheidungen bzw. Ausstattung und Einrichtung getroffen?

Bevor wir mit dem Innenausbau und der Einrichtung fortfuhren, konnten wir auf die Hilfe einer befreundeten Innenarchitektin zurückgreifen. Gemeinsam entwickelten wir ein Konzept für eine nutzbringende und komfortable Gestaltung des Raums. Auf diese Weise entstand zum Beispiel die Anordnung der Küche und die Planung des Schlafzimmers. Die Entscheidungen für die Möbel wurden später getroffen: Wir wählten Gegenstände aus, die der Persönlichkeit des Raumes entsprachen – von einem alten Minotti-Sessel von Gigi Radice bis hin zu Ikea oder sogar Gegenständen, die wir am Straßenrand fanden.

Was ist dir wichtig bei den Möbeln, mit denen du lebst? Mehr die Form oder mehr die Funktion?

Das ist bei jedem Stück anders. Manchmal lege ich Wert auf die Form und das Aussehen, manchmal auf die Funktion und den Komfort oder darauf, dass es sich in die vorhandene Einrichtung integriert oder mit ihr spielt, z. B. die Bar. Im Idealfall setzen wir Möbel ein, die sich sowohl durch ihre Form als auch durch ihre Funktion auszeichnen. Ich habe sogar einen Stuhl gefunden, der auf dem Kopf stehend und mit abgetrenntem Gestell wie eine Skulptur von Eero Saarinnen aussieht. Den habe ich natürlich nicht wegen seiner Funktion, sondern um mit der Form zu spielen.

Was ist dein persönlichstes Einrichtungsstück? Magst du uns die Geschichte dazu erzählen?

Das persönlichste Stück sind zwei Stehleuchten von "Belga Chrome": verspiegelte Säulen im Stil der 1980er-Jahre, die zusammengesetzt wie die ehemaligen Twin Towers in New York aussehen. Sie erinnern uns an die Zeit, in der wir am Fuße dieser Türme lebten, und sind eine Hommage an sie.

Auch die Kunst kommt im Studio Samartian nicht zu kurz. Anhand welcher Kriterien wählst du sie aus?

Mit dem Wunsch, den Raum relativ leer und unmöbliert zu halten, war es nicht ganz einfach, Kunstwerke die Bühne betreten zu lassen. Aber da, wo ich Kunst einbezogen habe, wurde sie aufgrund ihrer Stärke ausgewählt, ihre eigene Geschichte zu erzählen und gleichzeitig auf die Geschichte des "leeren" Loft selbst zu antworten.

Die Fotografie von Paul Kooiker zum Beispiel, die ein transparentes Schaufensterpuppenbein in einem hochhackigen Schuh zeigt – aufgenommen mit einem iPhone, wobei sie stark an einen alten Bauhaus- Druck aus den 1930er-Jahren erinnert.

 

Der Kamin im Studio Samartian ist beeindruckend, die 3-dimensionale Wanddekoration hast du selbst entworfen. Erzähl uns ein bisschen, was das Thema Kreuzfahrt für dich bedeutet und warum es sich hier wiederfindet. 

Der Kamin selbst ist ein Secondhand-Fund, und da er eine Art-Déco-Form hat, wollten wir den Stil der 1940er-Jahre noch verstärken. Mit dem Thema „verlassenes Hotel" im Hinterkopf und diesem Art-Déco-Sockel habe ich mir verschiedene historische „Holland America Line“-Plakate angeschaut, um mich inspirieren zu lassen. Und so entstand die steinähnliche Skulptur. Die Holland-America-Kreuzfahrtschiffe fahren heute noch an der Rückseite des Hauses vorbei, so dass es fast eine logische Wahl war.

Das Kino ist für dich als Künstler eine wichtige Inspirationsquelle. Wie ist deine Verbindung dazu und welche Rolle hat es für die Entstehung des Studio Samartian gespielt?

Für meine eigene Fotografie habe ich oft in alten Hotels geshootet, z.B. im „Pera Palace" in Istanbul oder im „Royal Hawaiian" in Honolulu – beide sind wahre Perlen. Außerdem lebte und arbeitete ich in jungen Jahren in Los Angeles (Hollywood) und war dort von Menschen umgeben, die sich mit dem klassischen Kino auskannten, und hatte sogar einen Job bei Paramount Pictures. Im Haus des berühmten Interior Designers Paul Fortune zu leben (Buchempfehlung an dieser Stelle, sein Werk „Notes on Decor Etc.") und wahre Hollywood-Legenden in ihren Hollywood-Häusern zu treffen (einschließlich einer Weihnachtsfeier in einem von Greta Garbos ehemaligen Häusern), erwies sich natürlich unbewusst als eine immens inspirierende Inneneinrichtungs-Ausbildungsmaßnahme.

 

Du bist in Amsterdam geboren, hast in New York, Paris und Los Angeles gelebt und gearbeitet. Was war der Anlass, warum du zurückgekehrt bist? Was schätzt du an Amsterdam bzw. IJmuiden und den Niederlanden besonders?

Mein beruflicher Werdegang führte mich letztendlich nach New York, wo ich auch im Jahr 2001 mitten in Tribeca, direkt gegenüber des World Trade Centers, lebte. Obwohl Manhattan nach den Anschlägen eine immense Widerstandskraft zeigte, konnte ich persönlich die plötzliche Veränderung der Realität nicht fassen und kehrte schließlich in meine Heimatstadt Amsterdam zurück. Das Leben in Amsterdam war komplett gegensätzlich – mit seinen freundlichen kleinen Häusern und seinem langsameren Lebensrhythmus. IJmuiden ist noch abgelegener und weiter von der New Yorker Realität entfernt, an die ich mich so gewöhnt hatte, aber seine Authentizität und die langsam fahrenden Schiffe boten eine sehr schöne und sogar filmische Leinwand, um mein kreatives Leben wieder aufzunehmen. Nachdem ich in so vielen verschiedenen Großstädten gelebt habe, war es wohl nach 40 Jahren des schnellen Tempos an der Zeit, mich mit einer langsameren (aber nicht weniger kreativen) Stadt zu arrangieren.

Was inspiriert dich als Mensch am meisten? Worauf könntest du nie verzichten?

Andere Künstler und Künstlerinnen, Musik, gute Filme und die Liebe meines Hundes.

Du bietest dein Zuhause für Shootings und Dreharbeiten an. War das für dich von Anfang an klar oder ist es der Ort, der dich dazu gebracht hast, ihn für andere zugänglich zu machen?

Ursprünglich war es nicht als Atelier gedacht, aber mit der Fertigstellung der Innenausstattung des Hauses und der Tatsache, dass es so geräumig ist, haben wir beschlossen, auch anderen die Möglichkeit zu geben, hier zu arbeiten und kreativ zu sein. Die jüngste Ergänzung des Hauses in Form eines alten New Yorker Hotelbadezimmers im mintfarbenen Art-déco-Stil wird das Gefühl eines verlassenen Hotels noch verstärken. Es wird hoffentlich mehr Menschen ermöglichen, hier eine Zeitreise zu erleben und zu genießen. Eine Interior-Trip, den sie auf einem Foto festhalten können, der ihnen aber auch in Erinnerung bleiben wird, wie die vielen unglaublich inspirierenden Reisen, die ich selbst gemacht habe.

 

Wir danken dir sehr, dass wir mit Freifrau zu Gast sein durften!