Zu Besuch bei Johanna und Friedrich Gräfling

INTERVIEW

Friedrich und Johanna Gräfling sind beide Anfang 30, gemeinsam betreiben sie in Frankfurt am Main den Salon Kennedy und den Kunstverein Wiesen in der unterfränkischen Ortschaft gleichen Namens. Beide Orte stehen für den Austausch um und über Kunst. Das Besondere: Im Salon Kennedy, ein Ort, der immer wieder offen für Zusammenkünfte ist, wohnt das Paar mit ihrer gemeinsamen Tochter und dem Dackel Ypsilon. Ein spannendes Wohnkonzept, das für das Paar aber gar nicht mal so spannend ist. Denn Wegräumen oder Verstecken tun sie nichts, wenn sich Besuch ankündigt oder ein Event stattfinden soll. Wir haben Johanna und Friedrich im Salon Kennedy und in ihrem Haus in Wiesen besucht, mit ihnen über ihre Art des Wohnens gesprochen und einige unserer Möbel mitgebracht.

 

Freifrau: Sie sammeln gemeinsam Kunst – als Ehepaar. Hat einer von Ihnen diese Leidenschaft in die Ehe mitgebracht oder haben Sie beide immer schon viel Interesse an Kunst gehabt?

Johanna: Bei uns beiden war es schon immer so, dass ein Interesse für Kunst da war, und ich glaube, dass sich das in unserer Beziehung einfach nochmal potenziert hat. Friedrich hat ja schon ganz früh angefangen, Kunst zu sammeln. Bei mir war es aber erstmal ein Interesse – ich habe International Business studiert und jedes Praktikum, das irgendwie anfiel, in Galerien oder Kunsthäusern gemacht und meinen Master dann in Kunstgeschichte absolviert.

Friedrich, wie war ihr Werdegang und der Weg zur Kunst?

Friedrich: Mein Werdegang lief relativ linear. Ich habe in London Architektur studiert und parallel dazu schon Kooperationen mit und in der Kunst begonnen. In einer dieser Kooperationen haben wir Raum und Kunst einander entgegengestellt, Räume mit Künstlern zusammen gedacht – das hat sich hier im Salon Kennedy und im Kunstverein Wiesen weiter manifestiert. Die Architektur hat aber weiter auch Bestand in meinem Leben – ich unterrichte Architektur an der TU Darmstadt und in London an der Architectural Assoziation School.

 

Wir haben euch sowohl im Salon Kennedy in Frankfurt als auch in eurem Haus in Wiesen, dem Kunstverein Wiesen zugehörig, besucht. Kurz zur Einordnung: Der Salon Kennedy bietet eine Plattform für KünstlerInnen. Der Kunstverein Wiesen ein klassischer Kunstverein. Bei beiden Orten geht es aber primär um den Austausch, richtig?

Friedrich: Das stimmt. Beim Salon Kennedy ist wirklich die Idee der Salon, also dass Leute an einem Ort zusammenkommen können, um den Austausch über und zu Kunst zu finden. Der Kunstverein Wiesen ist ein klassischer Kunstverein und ist eine Plattform für zeitgenössische Kunst. Also ein klassischer Ausstellungsraum, an dem sich natürlich auch begegnet wird und an dem viel über Kunst gesprochen wird. Die Art der Begegnung ist aber sicher etwas anders.

 

Sie öffnen sowohl Ihre Stadtwohnung als auch das Haus in Wiesen häufig als Platz für Begegnungen zum Thema Kunst. Finden Sie, dass der Austausch über Kunst wichtiger ist oder die Kunst an sich?

Friedrich: Ohne die Kunst an sich würde es keinen Austausch geben. Ich finde, dass die Kunst als solche da durchaus wichtiger ist, denn: Würde sie fehlen, fehlte uns der Aufhänger für den Austausch, für Diskussionen. Aber der Austausch ist für uns essenziell, und das auf allen Ebenen. Also mit dem Werk, mit dem Künstler, mit anderen Menschen.

 

Sie nennen den Raum hier absichtlich Salon und nicht Galerie – worin besteht für euch der Unterschied?

Johanna: Ich denke, der Unterschied liegt vor allem darin, dass der Fokus nicht auf dem Verkauf liegt. Mit dem Namen Salon geben wir uns und den Künstlern die Freiheit, die Ausstellungen viel freier zu gestalten, weil die Bezeichnung unter anderem einen nicht-kommerziellen Rahmen gibt.

Friedrich, Sie haben als sehr junger Mensch angefangen, eine Sammlung aufzubauen. Das erste Werk darin war ein Graffiti, das Sie mit Arbeit für den Künstler abbezahlt haben. Was hat Sie so daran fasziniert?

Friedrich: Die Geschichte war ein wenig anders. Das Graffiti habe ich mir malen lassen, weil ich selbst so mit 14, 15 in der Graffiti-Szene war und diesen Moment festhalten wollte. Die Kollegen, mit denen ich da um die Häuser gezogen bin, habe ich gebeten, mir etwas auf Leinwand zu malen. Wenn man so will, war das die erste Arbeit, die bewusst zu mir kam.

Die Geschichte mit dem Bild, dessen Wert ich abgearbeitet habe, spielte sich später in London ab. Da war ich so 18 Jahre und habe dieses Werk von einem etwas etablierteren Künstler haben wollen, das ich mir aber nicht leisten konnte. Ich habe ihm dann vorgeschlagen, dass ich in seinem Studio arbeiten würde. Das war auch ein Moment, wo ich gemerkt habe, dass, wenn man mit Ernsthaftigkeit und Überzeugung eine Sammlung aufbauen möchte, man auch viel bewegen kann. Also, dass diese Summen für ein Bild, die schnell in die Tausende gehen können, kein Hindernis sein müssen.
 

Heute sammeln Sie gemeinsam. Wer von Ihnen mag welche Kunst ganz besonders?

Johanna: Ein bestimmtes Gebiet gibt es da glaube ich nicht. Es ist nicht so, als würde einer nur auf Malerei schauen und der andere nur auf Fotografie. Es kommt immer auf die künstlerischen Positionen an – da ist es dann auch egal, mit oder durch welches Medium gearbeitet wird. Der Ansatz muss uns reizen.
 

Welche Themen sprechen Sie da besonders an?

Friedrich: Das ist schwierig zu benennen. In der Retrospektive kann man sicherlich einen roten Faden erkennen, der ist aber nicht klar von uns überlegt. Ich denke aber, dass uns Themen, die unsere Zeit oder Gesellschaft widerspiegeln, besonders interessieren. Dabei war es vor einigen Jahren vielleicht eher noch Jugendkultur mit den einhergehenden Themen wie Social Media, Globalisierung u. s. w. Und das wird sich sicher auch ändern – je nachdem, wie sich die Themen verändern. Aber eine Agenda haben wir nicht.

Haben Sie eine Idee wofür Ihre Sammlung stehen soll?

Friedrich: Da haben wir auch keinen formulierten Ansatz. Was sich aber herauskristallisiert und woran wir am meisten Spaß haben, ist, die Positionen wirklich in die Tiefe zu verfolgen. Auch hier kommt man schnell wieder auf das Thema Geld, da einige Positionen ja im Wert steigen, je erfolgreicher sie werden. Aber wir würden dann lieber weniger Positionen aufnehmen, die dann aber wirklich in die Tiefe verfolgen und über Jahre und Jahrzehnte begleiten.

Sie wohnen im Salon Kennedy, der immer wieder für Zusammenkünfte geöffnet ist. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen der Intimität eines Zuhauses, in dem man sich jederzeit wohlfühlen soll, und der Präsentationsfläche in den gleichen Räumen?

Johanna: Darüber denken wir gar nicht nach, da es ja irgendwie das Prinzip der Sache ist. Die Leute werden hier so empfangen, wie wir auch leben. Da wird nichts weggestellt oder versteckt, bevor wir Gäste empfangen.

Was bedeutet es für Sie ganz persönlich, zuhause zu sein?

Friedrich: Ein Zuhause definiert sich für mich in erster Linie über die Menschen.  Für mich ist das Zuhause daher da, wo man mit der Familie sein kann. Gemeinsam mit Kunst und viel Raum. Dazu kommt, dass ich Kunst oder generell etwas an den Wänden, was einen Inhalt hat, mit einem Wärmegefühl verbinde. Besonders wohl fühle ich mich dann im Mix mit viel Raum. Unser Wohnzimmer in Wiesen hat eine große Fläche, was mir aber auch besonders gefällt, sind hohe Decken. Dort sind es fast 5 m, hier sind es gut 4,20 m.

Sie haben relativ viele Ihrer Möbel selbst gebaut, Sie haben aber auch wahnsinnig viele Möbel, Designklassiker. Wie suchen Sie Ihre Möbel aus und wo finden Sie sie?

Friedrich: Das Aussuchen ist bei uns wie bei der Kunst. Wir sagen nicht, dass wir für einen Ort eine Lampe benötigen. Wenn wir etwas anschaffen, dann direkt vom Designer oder, wenn es um aktuelle Stücke geht, ganz klassisch beim Händler. Wenn es historische Elemente sind – wie zum Beispiel bei unserer Sottas-Lampe, die ein Original ist und eine der ersten war –, dann braucht man einfach Glück. Die Lampe über unserem Esstisch in Wiesen stammt ursprünglich aus dem Palast der Republik – die haben wir auf eBay Kleinanzeigen gefunden.

Johanna: Wenn man etwas sucht, dann findet man es ja doch nie. Eigentlich ist es so, dass, wenn wir etwas finden, wir es direkt kaufen und für das Stück auch schon einen möglichen Platz im Kopf haben.

 

Vielen Dank für das Gespräch!